Sonntag, 6. Januar 2019

An etwas wie eine Seelenwanderung glaube auch ich



Hermann Hesse schreibt in einem Brief an Lisa Wenger,
deren Tochter seine spätere Ehefrau wird.

An etwas wie eine Seelenwanderung glaube auch ich,
ich halte das 
eigentlich für selbstverständlich sobald
man anfängt zu denken.

Dieser Glaube hat manches Beruhigende,
aber er enthält auch die
Erkenntnis, dass alles
was wir erleben von uns selbst gewollt und
 herbei gerufen ist.
Dann gibt es keine Ausflüchte und keinen
Trost mehr
gegen das bittere Schicksal, als sich damit
einverstanden
 zu erklären und dazu „ja“ zu sagen,
und das ist immer schwer.




Hans Christian Andersen (aus Zwölf mit der Post)




Es war eine schneidende Kälte, sternenheller Himmel,
kein Lüftchen regte sich.

Trateratra!
Die Post kam angefahren. Als die  große Postkutsche
vor dem Stadttor hielt,
in dem ein kleiner Tannenbaum eingepflanzt war.
Den Baum will ich hegen und pflegen, damit er gedeihe
und groß werde bis zum Weihnachtsabend,
vom Fußboden bis an die Decke reiche und emporschieße
mit flammenden Lichtern, goldenen Äpfeln und
ausgeschnittenen Figürchen.

Die Feuerkiepe wärmt wie ein Ofen;
ich hole das Märchenbuch aus der Tasche und lese
laut aus ihm vor, dass alle Kinder im Zimmer still,
die Figürchen an dem Baume aber lebendig werden
und der kleine Engel von Wachs auf der äußersten Spitze
die Flittergoldflügel ausbreitet, herabfliegt vom grünen Sitze
und klein und groß im Zimmer küsst, ja,
auch die armen Kinder küsst,
konnte man erkennen das sie voll besetzt war.

Zwölf Personen brachte sie mit.
Endlich kam der letzte Reisende zum Vorschein,
das alte Mütterchen Dezember mit der Feuerkiepe;
die Alte fror, aber ihre Augen strahlten
wie zwei helle Sterne. Sie trug einen Blumentopf auf dem Arme,
die draußen auf dem Flure und auf der Straße stehen
und das Weihnachtslied von dem Stern
über Bethlehem singen.



Hans Christian Andersen
(aus Zwölf mit der Post)