Montag, 9. März 2015

Würde der Frauen


* Paul Cézanne *

Würde der Frauen

Ehret die Frauen! sie flechten und weben 
Himmlische Rosen ins irdische Leben, 
Flechten der Liebe beglückendes Band, 
Und in der Grazie züchtigem Schleier 
Nähren sie wachsam das ewige Feuer 
Schöner Gefühle mit heiliger Hand.
Ewig aus der Wahrheit Schranken 
Schweift des Mannes wilde Kraft; 
Unstät treiben die Gedanken 
Auf dem Meer der Leidenschaft; 
Gierig greift er in die Ferne, 
Nimmer wird sein Herz gestillt; 
Rastlos durch entlegne Sterne 
Jagt er seines Traumes Bild.

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke 
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke, 
Warnend zurück in der Gegenwart Spur. 
In der Mutter bescheidener Hütte 
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte, 
Treue Töchter der frommen Natur.

Feindlich ist des Mannes Streben, 
Mit zermalmender Gewalt 
Geht der wilde durch das Leben, 
Ohne Rast und Aufenthalt. 
Was er schuf, zerstört er wieder, 
Nimmer ruht der Wünsche Streit, 
Nimmer, wie das Haupt der Hyder 
Ewig fällt und sich erneut.

Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme, 
Brechen die Frauen des Augenblicks Blume, 
Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß, 
Freier in ihrem gebundenen Wirken, 
Reicher, als er, in des Wissens Bezirken 
Und in der Dichtung unendlichem Kreis.

Streng und stolz, sich selbst genügend, 
Kennt des Mannes kalte Brust, 
Herzlich an ein Herz sich schmiegend, 
Nicht der Liebe Götterlust, 
Kennet nicht den Tausch der Seelen, 
Nicht in Thränen schmilzt er hin; 
Selbst des Lebens Kämpfe stählen 
Härter seinen harten Sinn.

Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert, 
Schnell die äolische Harfe erzittert, 
Also die fühlende Seele der Fraun. 
Zärtlich geängstet vom Bilde der Qualen, 
Wallet der liebende Busen, es strahlen 
Perlend die Augen von himmlischem Thau.

In der Männer Herrschgebiete 
Gilt der Stärke trotzig Recht; 
Mit dem Schwert beweist der Scythe, 
Und der Perser wird zum Knecht. 
Es befehden sich im Grimme 
Die Begierden wild und roh, 
Und der Eris rauhe Stimme 
Waltet, wo die Charis floh.

Aber mit sanft überredender Bitte 
Führen die Frauen den Scepter der Sitte, 
Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht, 
Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen, 
Sich in der lieblichen Form zu umfassen, 
Und vereinen, was ewig sich flieht.



Schiller Friedrich  
1759-1805