Samstag, 30. Dezember 2017

Man nehme zwölf Monate...


* Mutter von Goethe *


Man nehme 12 Monate, putze sie sauber von Neid, Bitterkeit, Geiz, Pedanterie 
und zerlege sie in 30 oder 31 Teile, so daß der Vorrat für ein Jahr reicht. 
Jeder Tag wird einzeln angerichtet aus 1 Teil Arbeit und 2 Teilen Frohsinn und Humor. 
Man füge 3 gehäufte Esslöffel Optimismus hinzu, 1 Teelöffel Toleranz, 1 Körnchen Ironie 
und 1 Prise Takt. Dann wird die Masse mit sehr viel Liebe übergossen. 

Das fertige Gericht schmücke man mit Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und 
serviere es täglich mit Heiterkeit.


Katharina Elisabeth Goethe 1731-1808
(Mutter v. Johann Wolfgang von Goethe)

* Goethes Familie *



Donnerstag, 28. Dezember 2017

Das Neujahrsfest...


* Alma Tadema Lawrence *

Diese Geschichte spielt im alten Persien. 

Es war an der Zeit, das Neujahrsfest vorzubereiten. Der König wies seine Leute an: Ich möchte, daß es ein wirklich königliches Fest wird. Die Gästeliste soll überquellen von illustren Persönlichkeiten. Die Tische sollen sich biegen unter Delikatessen, und der Wein soll nur aus erlesenen Trauben und besten Jahrgängen bestehen.

Die Mitarbeiter schwärmten aus und brachten aus allen Landesteilen nur das Köstlichste. Aber der König war nicht zufriedenzustellen. Im letzten Jahr habe ich ein durch nichts zu überbietendes Fest gegeben. Aber die ganze Stadt sprach nur von dem Fest bei Ramun, dem Maler. Da wurde getrunken und gelacht die ganze Nacht bis zum Nachmittag des nächsten Tages. Im Jahr davor war es dasselbe. Ebenso im Jahr davor und davor. Einmal muß es mir doch gelingen, diesen Wurm zu übertrumpfen, denn ich, ich bin der König.

Einer der Mitarbeiter, ein kluger Mann, verneigte sich tief und fragte: Mein König, habt Ihr je mit dem Maler gesprochen? Es muß doch einen Grund geben, warum die Leute sein Fest so lieben, obwohl sie in schäbiger Hütte ihre mitgebrachten Happen essen und den billigsten Wein trinken müssen. 

Der König nickte stumm und sagte: Gut, schafft mir diesen Ramun heran. Und so geschah es. Warum lieben die Menschen so dein Neujahrsfest, fragte der König. Worauf der Maler: Wir sind Freunde und brauchen einander - aber mehr brauchen wir nicht. Deshalb sind wir reich.“

Verfasser Unbekannt 

* Alma Tadema Lawrence * 




Samstag, 23. Dezember 2017

Unter dem Tannenbaum


* Marcel Rieder *

Unter dem Tannenbaum 
Ich wußte es wohl, in solchen Päckchen steckte ein Stück leibhaftigen Weihnachtens, denn der Onkel hatte einen Bruder in Hamburg, und er trat nicht mit leeren Händen an den Tannenbaum. So nie gesehenes, märchenhaftes Zuckerzeug, wie er mitten in der Bescherung noch mir und meiner Schwester auf unsere Weihnachtsteller zu legen pflegte, ist mir später niemals wieder vorgekommen. Bald darauf steige ich an der Hand des Onkels die breite Steintreppe zu unserm Hause hinauf. Ein paar Augenblicke verschwindet er mit seinen Päckchen in die Weihnachtsstube; es ist noch nicht angezündet, aber durch die halb geöffnete und rasch wieder geschlossene Tür glitzert es mir entgegen aus der noch drinnen herrschenden ahnungsvollen Dämmerung. Ich schließe die Augen, denn ich will nichts sehen, und trete in das gegenüberliegende, festlich erleuchtete Zimmer, das ganz von dem Duft der braunen Kuchen und des heute besonders fein gemischten Tees erfüllt ist. Die Hände auf dem Rücken mit langsamen Schritten geht mein Vater auf und nieder. Nun, seid ihr da?' fragt er stehenbleibend.




Und schon ist auch Onkel Erich bei uns; mir scheint, die Stube wird noch einmal so hell, das er eintritt. Er grüßt die Großmutter, den Vater; er nimmt meiner Schwester die Tasse ab, die sie ihm auf dem gelblackierten Brettchen präsentiert. ,Was meinst du', sagt er, indem er seinen Augen einen bedenklichen Ausdruck zu geben sucht, ,es wird wohl heute nicht viel für uns abfallen!' Aber er lacht dabei so tröstlich, daß diese Worte wie eine goldene Verheißung klingen. Dann, während in dem blanken Messingkomfort der Teekessel saust, beginnt er eine seiner kleinen Erzählungen von den Begebenheiten der letzten Tage, seit man sich nicht gesehen. War es nun der Ankauf eines neuen Spazierstocks oder das unglückliche Zerbrechen einer Mundtasse; es floß alles so sanft dahin, daß man ganz davon erquickt wurde. Und wenn er gar eine Pause machte, um das bisher Erzählte im behaglichsten Gelächter nach zu genießen, wer hätte da nicht mitgelacht! Mein Vater nimmt vergeblich seine kritische Prise; er muß endlich doch mit einstimmen. 



Dies harmlose Geplauder – es ist mir das erst später klar geworden – war die Art, wie der tätige Geschäftsmann von der Tagesarbeit ausruhte. Es klingt mir noch lieb in der Erinnerung, und mir ist, als verstünde das jetzt niemand mehr.  Aber während der Onkel so erzählt, steckt meine Mutter, die seit Mittag unsichtbar gewesen ist, den Kopf ins Zimmer. Der Onkel macht ein Kompliment und bricht seine Geschichte ab; die Tür und die gegenüberliegende Tür werden weit geöffnet. Wir treten zögernd ein; und vor uns, zurückgestrahlt von dem großen Wandspiegel, steht der brennende Baum mit seinen Flittergoldfähnchen, seinen weißen Netzen und goldenen Eiern, die wie Kinderträume in den dunkeln Zweigen hängen…

Theodor Storm (1870 -1888)

                                            


Freitag, 22. Dezember 2017

The little Drummer Boy



Little Drummer 

Kommt, man sagte mir,
ich sollte mir einen neugeborenen König ansehen.
Unsere schönsten Geschenke bringen wir,
um sie dem König darzubringen.
Um Ihn so zu ehren,
wenn wir kommen.

Kleines Baby,
ich bin auch ein armer Junge,
ich habe kein Geschenk zu geben,
das passend wäre, 
um es unserem König zu geben.
Soll ich für dich spielen?!


Maria nickte.


Der Ochse und das Lamm ließen sich Zeit;
ich spielte meine Trommel für Ihn;
ich spielte mein Bestes für Ihn.

Da lächelte er mich an,
mich und meine Trommel.



Donnerstag, 21. Dezember 2017

Auf dem Weihnachtsmarkt


Auf dem Weihnachtsmarkt 

Am schönsten war es, wenn kurz zuvor Schnee gefallen, und bei mäßigem Frost und heiterem Wetter liegen geblieben war. 
Alsdann hatte sich das gewöhnliche Pflaster der Straße und des Platzes durch die Tritte der unzähligen Wanderer gleichsam in einen marmornen Fußboden verwandelt.

Um die Mittagsstunde wandelten dann wohl die vornehmern Stände behaglich auf und ab, schauten und kauften, luden den Bedienten, welche ihnen folgten, die Gaben auf, oder kamen auch nur wie in einem Saal zusammen, um sich zu besprechen und Neuigkeiten mitzuteilen. 


Am glänzendsten aber sind die Abendstunden, in welchen diese 
breite Straße von vielen tausend Lichtern aus den Buden von beiden Seiten erleuchtet wird, daß fast eine Tageshelle sich verbreitet, die nur hie und da durch das Gedränge der Menschen sich scheinbar verdunkelt.

Alle Stände wogen fröhlich und lautschwatzend durcheinander. 
Hier trägt ein bejahrter Bürgersmann sein Kind auf dem Arm, und zeigt und erklärt dem laut jubelnden Knaben alle Herrlichkeiten.

Eine Mutter erhebt dort die kleine Tochter, daß sie sich in der Nähe die leuchtenden Puppen, deren Hände und Gesicht von Wachs die Natur anmutig nachahmen, näher betrachten könne. 



Ein Cavalier führt die geschmückte Dame, der Geschäftsmann läßt sich gern von dem Getöse und Gewirr betäuben, und vergißt seiner Akten, ja selbst der jüngere und der ältere Bettler erfreut sich dieser öffentlichen, allen zugänglichen Maskerade, und sieht ohne Neid die ausgelegten Schätze und die Freude und Lust der Kinder, von denen auch die geringsten die Hoffnung haben, daß irgend etwas für sie aus der vollen Schatzkammer in die kleine Stube getragen werde.



So wandeln denn Tausende, scherzend, mit Planen zu kaufen, 
erzählend, lachend, schreiend, an den süßduftenden mannigfaltigen Zucker- und Marzipan-Gebäcken vorüber…

Aus Ludwig Tieck (1773 - 1853)  
Weihnachtsabend



Dienstag, 19. Dezember 2017

Jung sein...



Die Jugend kennzeichnet nicht einen Lebensabschnitt.


Man wird nicht alt weil man jung ist, jung bleibt wer noch staunen 

und sich begeistern kann, ihr seid so jung wie Euer Glaube.
Ihr werdet jung bleiben, wegen eurer Geisteshaltung.
Eine gewisse Anzahl an Jahren gelebt, und wie ein unersättliches Kind fragt.
Und dann so alt wie eure Zweifel, eure Aufnahmebereitschaft. 
Sie ist Ausdruck des Willens, der Vorstellungskraft und Gefühlsintensität.
Sie bedeutet Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit,
Sieg der Abenteuerlust über den Hang zur Bequemlichkeit.
Man wird alt wenn man seine Ideale aufgibt.

Die Jahre zeichnen zwar die Haut, Ideale aufgeben aber zeichnet die Seele. 

Vorurteile, Zweifel, Befürchtungen und Hoffnungslosigkeit, sind Feinde 
die uns nach und nach zur Erde niederdrücken, und 
uns vor dem Tod zu Staub werden lassen.



Wer die Ereignisse herausfordert und sich freut am Spiel des Lebens.

So jung wie Euer Selbstvertrauen. So jung wie Eure Hoffnung.
So alt wie Eure Niedergeschlagenheit.



Empfänglich fürs Schöne, Gute und Große.

Empfänglich für die Botschaften der Natur, der Mitmenschen, des Unfaßlichen.
Sollte eines Tages Euer Herz geätzt werden von Pessimismus, zernagt von 
Zynismus, dann möge man Erbarmen haben mit Eurer Seele - 

Der Seele eines Greises.

Marc Aurel



Sonntag, 3. Dezember 2017

Dezemberlied



Dezemberlied

Harter Winter, streng und rauch, 
Winter, sei willkommen! 
Nimmst du viel, so gibst du auch, 
Das heißt nichts genommen!
Zwar am Äußern übst du Raub, 
Zier scheint dir geringe, 
Eis dein Schmuck, und fallend Laub 
Deine Schmetterlinge,
Rabe deine Nachtigall, 
Schnee dein Blütenstäuben, 
Deine Blumen, traurig all 
Auf gefrornen Scheiben.

Doch der Raub der Formenwelt 
Kleidet das Gemüte, 
Wenn die äußere zerfällt, 
Treibt das Innere Blüte.
Die Gedanken, die der Mai 
Locket in die Weite, 
Flattern heimwärts kältescheu 
Zu der Feuerseite.
Sammlung, jene Götterbraut, 
Mutter alles Großen, 
Steigt herab auf deinen Laut, 
Segenübergossen.

Und der Busen fühlt ihr Wehn, 
Hebt sich ihr entgegen, 
Lässt in Keim und Knospen sehn, 
Was sonst wüst gelegen.
Wer denn heißt dich Würger nur? 
Du flichst Lebenskränze, 
Und die Winter der Natur 
Sind der Geister Lenze!

(Franz Grillparzer, 1791-1872)


Freitag, 1. Dezember 2017

Altes Kaminstück



Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.
Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.
Und ein Kätzchen sitzt daneben,

Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.
Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergeßne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Fraun, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.
Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbeigeschwommen
Manches alte Zauberschloß;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentroß.
Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt.
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.

Heinrich Heine (1797-1856)