Sonntag, 11. Juli 2021

Am Abend wenn die Glocken Frieden läuten




Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

 Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Georg Trakl 



Melancholie



Melancholie, 1906

Wieviel Schönheit ist auf Erden unscheinbar verstreut 
möchte ich immer mehr des inne werden. 
Wieviel Schönheit,die den Taglärm scheut, 
in bescheidnen alt und jungen Herzen. 
Ist es auch ein Duft von Blumen nur, 
macht es holder doch der Erde Flur, 
wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.


Christian Morgenstern


Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind





Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind,
und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt.

Der Sturm, 4. Akt, 1. Szene / Prospero,
William Shakespeare





Abschied


Als der Regenbogen verblasste, da kam der Albatros

und er trug mich mit sanften Schwingen

weit über die sieben Weltmeere.

Behutsam setzte er mich an den Rand des Lichts.

Ich habe euch nicht verlassen,

ich bin euch nur ein Stück voraus.

Ich trat hinein und fühlte mich geborgen.



Ursula Magdalena



Es färbte sich die Wiese grün




Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn
Tagtäglich sah ich neue Kräuter
Mild war die Luft, der Himmel heiter
Ich wußte nicht wie mir geschah
Und wie das wurde was ich sah

Und immer dunkler ward der Wald
Auch bunter Sänger Aufenthalt
Es drang mir bald auf allen Wegen
Ihr Klang in süßen Duft entgegen
Ich wußte nicht wie mir geschah
Und wie das wurde, was ich sah

Es quoll und trieb nun überall
Mit Leben Farben Duft und Schall
Sie schienen gern sich zu vereinen
Daß alles möchte lieblich scheinen
Ich wußte nicht wie mir geschah
Und wie das wurde was ich sah

So dacht ich ist ein Geist erwacht
Der alles so lebendig macht
Und der mit tausend schönen Waren
Und Blüten sich will offenbaren
Ich wußte nicht wie mir geschah
Und wie das wurde was ich sah

Vielleicht beginnt ein neues Reich 
Der lockre Staub wird zum Gesträuch
Der Baum nimmt tierische Gebärden
Das Tier soll gar zum Menschen werden
Ich wußte nicht wie mir geschah
Und wie das wurde was ich sah

Wie ich so stand und bei mir sann
Ein mächtger Trieb in mir begann
Ein freundlich Mädchen kam gegangen
Und nahm mir jeden Sinn gefangen
Ich wußte nichtwie mir geschah
Und wie das wurd  was ich sah

Sie ging vorbei ich grüßte sie
Sie dankte das vergeß ich nie 
Ich mußte ihre Hand erfassen
Und Sie schien gern sie mir zu lassen
Ich wußte nicht wie mir geschah
Und wie das wurde was ich sah

Uns barg der Wald vor Sonnenschein
Das ist der Frühling fiel mir ein
Kurzum ich sah daß jetzt auf Erden
Die Menschen sollten Götter werden
Nun wußt ich wohl wie mir geschah
Und wie das wurde was ich sah


Novalis



Morgengebet



Morgengebet 

O wunderbares tiefes Schweigen
Wie einsam ist's noch auf der Welt
Die Wälder nur sich leise neigen
Als ging' der Herr durchs stille Feld

Ich fühl mich recht wie neu geschaffen
Wo ist die Sorge nun und Not
Was mich noch gestern wollt erschlaffen
Ich schäm mich des im Morgenrot

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
Will ich ein Pilger frohbereit
Betreten nur wie eine Brücke
Zu dir Herr übern Strom der Zeit

Und buhlt mein Lied auf Weltgunst lauernd
Um schnöden Sold der Eitelkeit
Zerschlag mein Saitenspiel und schauernd
Schweig ich vor dir in Ewigkeit



Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff


Ich liebe die Rose

Eden Rose
Foto Copyright; U.M.

Ich liebe die Rose als das Vollkommenste, 
was unsere deutsche Natur als Blume gewähren kann, 
aber ich bin nicht Tor genug um zu verlangen, 
daß mein Garten sie mir schon jetzt, Ende April gewähren soll. 
Ich freue mich, wenn ich im Mai die Knospe sehe und ich bin glücklich, 
wenn endlich der Juni mir die Rose selbst in aller Pracht 
und in allem Duft entgegen reicht.

J. W. von Goethe

Eden Rose
Foto Copyright; U.M.


Ein Tag im Spätsommer





Bäche zittern silbern,
Gräser glitzern und nicken,
Und weiße Anemonen
Blicken zum blauen Himmel.

Ich ging in jungen Gräsern
Mit meinem weichsten Schritt,
Die Amsel hat gesungen,
Und mein Herz sang mit.


Max Dauthendey





An eine Rose




An eine Rose
Ewig trägt im Mutterschoße,
süße Königin der Flur!
Dich und mich die stille, große,
allbelebende Natur.

Röschen!
Unser Schmuck veraltet,
Stürm' entblättern Dich und mich,
doch der ewge Keim entfaltet
bald zu neuer Blüte sich.

Friedrich Hölderlin




Mittwoch, 7. Juli 2021




* Foto Copyright U. M. *



Meine Gärten sind das wichtigste überhaupt und
meine gesamte Zeit widme ich der Arbeit in dem einen
oder dem anderen von ihnen,
und wenn das Licht nicht mehr ausreicht um die Pflanzen zu sehen,
lese oder schreibe ich über sie.
Ellen Willmott ( Britische Gärtnerin)



* Foto Copyright U. M. *




Melancholie, 1906

Wieviel Schönheit ist auf Erden unscheinbar verstreut 
möchte ich immer mehr des inne werden. 

Wieviel Schönheit, die den Taglärm scheut, 
in bescheidnen alt und jungen Herzen. 

Ist es auch ein Duft von Blumen nur, 
macht es holder doch der Erde Flur, 
wie ein Lächeln unter vielen Schmerzen.




Christian Morgenstern