Das Lied des Regens
Ich bin das silberne Garn,
Das die Götter herab von den Höhen senden;
Die Natur nimmt mich auf, um die Täler zu
schmücken.
Ich bin die wertvolle Perle,
Aus Astartens Krone verstreut,
Und die Tochter des Morgens stahl mich,
Um schöner zu machen das Feld.
Ich weine, und das Hügelland lächelt;
Ich werde erniedrigt und die Blumen erhoben.
Wolke und Feld sind zwei Liebende,
Und ich bin ein Bote, der zueinander sie führt;
Mit Überfluß still ich den Durst des einen
Und heile des anderen Krankheit.
Die Stimme des Donners und die Klingen des Blitzes
Künden von meinem Kommen,
während der Regenbogen vom End meiner Reise erzählt.
So ist das Leben auf Erden:
Beginnend zwischen den Füßen des Zorns
Und scheidend in den friedvollen Händen des Todes.
Ich hebe empor mich vom Herzen des Sees
Und gleite hinan mit den Schwingen der Lüfte,
Bis ich an einem grünenden Garten bin.
Dort lass ich mich nieder
Und küsse die Lippen der Blumen,
Umarme voll Liebe die Zweige.
In der Stille, mit meinen sanften Fingern,
Klopfe ich an die Fensterscheiben:
Es klingt wie ein Lied, den fühlenden Seelen bekannt.
Ich bin gezeugt von der Hitze der Erde
Und bin auch ihr Mörder –
So ist auch die Frau, die über den Mann herrscht
mit der Kraft, die sie ihm nahm.
Ich bin das Seufzen des Meeres,
Die Träne des Himmels
Und das Lächeln des Feldes.
So ist die Liebe –
Ein Märchen vom Meer der Gefühle,
Eine Träne vom Himmelreich der Gedanken
Und ein Lächeln vom Felde des Geistes.
Khalil Gibran