Sonntag, 29. Dezember 2019

Prosit Neujahr


Es gibt bei Armen und Reichen

So manche Herzen bang und still;
Aus manchem dieser Herzen will
Die Sorge nimmer weichen.

Ich bin einer neuen Idee auf der Spur
Und überlege sie sehr:
Man sollte armen Leuten nur
Gutes tun oder sagen,
Ohne vorher oder hinterher
Nach ihnen zu fragen.

Wer hat das wohl zuerst bestellt,
Was nun so glatt sich leiert:
Dass jeder Stand und alle Welt
Terminlich trauert und feiert.

So Wünschlein-pünschlein den andern gleich
Will ich mich nüchtern betrinken,
Um gegen Morgen durchs Federweich
In Kaktusträume zu sinken.



Dass eine Mutschekuh,
Die vollgefressen mit Heu war,
Mein Zimmer betrat und rief mir zu:
"Prost Neujahr, Herr Doktor, 
Prost Neujahr!"


Joachim Ringelnatz, 1883-1934, 



Der Schwester zu Silvester


Der Schwester zu Silvester

Habe ein heitres, fröhliches Herz, 
Januar, Februar und März.
Sei immer mit dabei, 
In April und Mai.

Kreische vor Lust. 
In Juni, Juli, August,
Habe Verehrer, Freunde und Lober,
In September und Oktober.

Und bleibe meine gute Schwester,
Bis zum Dezember und nächsten Silvester.

Theodor Fontane


Von guten Mächten wunderbar geborgen, 
erwarten wir getrost, was kommen mag. 
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen 
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

(Dietrich Bonhoeffer, 1906-1945)


Freitag, 27. Dezember 2019

Meiner Mutter zum Gedenken



An meine Mutter

So gern hätt' ich ein schönes Lied gemacht
Von Deiner Liebe deiner treuen Weise
Die Gabe die für andre immer wacht 
Hätt' ich so gern geweckt zu deinem Preise



Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr
Und wie ich auch die Reime mochte stellen
Des Herzens Fluten wallten darüber her
Zerstörten mir des Liedes zarte Wellen




So nimm die einfach schlichte Gabe hin,
Von einfach ungeschmücktem Wort getragen
Und meine ganze Seele nimm darin
Wo man am meisten fühlt, weiß man nicht viel zu sagen



Annette von Droste-Hülshoff  (1797-1848)



In Erinnerung an meine Mutter
Copyright; Ursula Magdalena 

Geboren am 7. Dezember 1921
Gestorben am 28. Dezember 1959



Vom Baum des Lebens fällt


Vom Baum des Lebens fällt
 Mir Blatt um Blatt,
O taumelbunte Welt,
Wie machst du satt,
Wie machst du satt und müd,
Wie machst du trunken!
Was heut noch glüht,
Ist bald versunken.

Bald klirrt der Wind
Über mein braunes Grab,
 Über das kleine Kind
Beugt sich die Mutter herab.
Ihre Augen will ich wiedersehn,
Ihr Blick ist mein Stern,
Alles andre mag gehen und verwehn,
 Alles stirbt, alles stirbt gern.

Nur die ewige Mutter bleibt,
Von der wir kamen,
 Ihr spielender Finger schreibt
In die flüchtige Luft unsre Namen.


Hermann Hesse



Aus welchem Stoff schuf einst dich die Natur



Aus welchem Stoff schuf einst dich die Natur.
Daß so viel fremde Schatten sich dir neigen.
Da jedem sonst ein einziger Schatten nur.
Und dir, dem einen, alle Schatten eigen?



William Shakespeare


Mittwoch, 25. Dezember 2019

Die 12 heiligen Raunächte


Nach den Weihnachtstagen kommt die Zeit der Raunächte.
An diesen Tagen sollen besondere Dinge passieren,
da das Band der diesseitigen zur jenseitigen Welt
viel stärker ist als gewöhnlich.

Die 12 heiligen Raunächte symbolisieren die Wiederkehr der Seelen und das Erscheinen der Geister zur Mitte der Zwölf Nächte, nämlich zu Silvester, soll die wilde Jagd aufbrechen. In dieser Zeit stehe das Geisterreich ­offen und die Seelen der Verstorbenen sowie die Geister haben Ausgang. Dämonen können Umzüge veranstalten oder mit der Wilden Jagd durch die Lande ziehen. 

Bis in die jüngere Zeit war in weiten Teilen Europas der Glaube verbreitet, dass sich zauberkundige Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten, zu dieser Zeit in Werwölfe verwandelten und in dieser Gestalt Mensch und Vieh bedrohten, etwa im Baltikum, in Westdeutschland, speziell in der Eifel und den benachbarten Ardennen, oder in Bulgarien.

Diese Vorstellung spiegelt sich in den Perchtenläufen des Alpenraums wieder. Eine andere Form der Perchten, aber regional davon getrennt und eigenständig sind die Glöckler. Auch der Brauch, zu Silvester Lärm zu erzeugen wie das Silvesterfeuerwerk, sollte die Unholde fernhalten, im Alpenraum wird in allen Rauhnächten auch geböllert. In Norddeutschland ist bis heute das Rummelpottlaufen verbreitet.




Die hl. drei Könige


* Der Zug nach Bethlehem *

Die hl. Drei Könige stehen wie erwähnt für drei Kontinente.
Caspar verkörpert Afrika, daher seine schwarze Gesichtsfarbe.
Balthasar symbolisiert meist Asien und Melchior Europa.
Was bedeuten die Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe ? 
Das Gold gilt als Zeichen der Macht, der königlichen Würde. Gold war schon damals unheimlich kostbar. Mit dem Geschenk sollte Gottes Sohn geehrt werden.
Myrrhe wird aus dem Harz des Myrrhestrauches gewonnen und wurde vor 2000 Jahren zur Einbalsamierung der Toten verwendet. 
Myrrhe deutet also das Leid an, das Jesus als Erwachsenen erwartet. Darüber hinaus zeigt die Myrrhe, dass Jesus eben nicht nur königlich und göttlich, sondern auch ein Mensch ist.
Weihrauch ist ein Harz, der aus dem Weihrauchbaum gewonnen wird. Der Rauch, der aufsteigt,wenn das Harz verbrennt, wird als Weihrauch bezeichnet. Er symbolisiert, dass der Mensch eine Einheit aus Körper und Seele ist.

Als Geschenk der Heiligen Drei Könige steht der Weihrauch für das Göttliche des Jesuskindes.

* Martin Jahann Schmidt  - Anbetung der Hl. Drei Könige *


Dienstag, 17. Dezember 2019

Der erste Schnee ...





Schnee! Schnee! Der erste Schnee! 

In großen wässrigen Flocken, dem Regen untermischt, 
schlägt er an die Scheiben, grüßend wie ein alter Bekannter, 
der aus weiter Ferne nach langer Abwesenheit zurückkommt.

 Schnell springe ich auf und ans Fenster. 
Welche Veränderung da draußen! Die Leute, 
die eben noch mürrisch und unzufrieden mit sich und 
der Welt umherschlichen, sehen jetzt ganz anders aus.

 Gegen den Regen suchte jeder sich durch Mäntel und 
Schirme auf alle Weise zu schützen, dem Schnee aber 
kehrt man lustig und verwegen das Gesicht zu.

Der erste Schnee! Der erste Schnee...

An den Fenstern erscheinen lachende Kindergesichter, 
kleine Händchen klatschen fröhlich zusammen, 
welche Gedanken an weiße Dächer und grüne, 
funkelnde Tannenbäume! 

Wie phantastisch die Sperlingsgasse in dem 
wirbelnden, weißen Gestöber aussieht! 
Wie die wasserholenden Dienstmädchen 
am Brunnen kichern! 

Der fatale Wind! Gehorsamster Diener, 
Herr Professor Niepeguck! Auch im ersten Schnee? 
Ärztliche Verordnung, brummt der Weise und 
lächelt herauf zu mir, so gut es Würde und 
Hypochondrie erlauben.


Aus Wilhelm Rabe ( 1831 - 1910)

Die Chronik der Sperlinggasse


Dienstag, 10. Dezember 2019

Das Jahr ward alt.


Das Jahr ward alt Hat dünnes Haar
Ist gar nicht sehr gesund
Kennt seinen letzten Tag das Jahr
Kennt gar die letzte Stund

Ist viel geschehn Ward viel versäumt

Ruht beides unterm Schnee

Weiß liegt die Welt wie hingeträumt

Und Wehmut tut halt weh


Noch wächst der Mond - Noch schmilzt er hin

Nichts bleibt Und nichts vergeht

Ist alles Wahn Hat alles Sinn

Nützt nichts das man’s versteht


Und wieder stapft der Nikolaus

durch jeden Kindertraum

Und wieder blüht in jedem Haus

der goldengrüne Baum


Warst auch ein Kind - Hast selbst gefühlt

wie hold Christbäume blühn

Hast nun den Weihnachtsmann gespielt

und glaubst nicht mehr an ihn


Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag

Dann dröhnt das Erz und spricht

Das Jahr kennt seinen letzten Tag

und du kennst den deinen nicht



(Erich Kästner)


Freitag, 6. Dezember 2019

Nikolaus im Wald



Es rauscht der Wind im Winterwalde
durch die kühle, graue Flur
und ein jeder hofft - schon balde,
find er St. Nikolauses Spur.

Ach, wann wird er endlich kommen,
dieser heiß ersehnte Gast?
Kinder blicken teils benommen
von Baum zu Baum, von Ast zu Ast.

In den Blicken heißes Sehnen,
Fragen, was wird dann geschehn?
Und mancher tut schon mal erwähnen:
“Ich hab St. Nikolaus geseh´n”. 

Langsam neigt der Tag sich nieder,
die Winternacht, sie steigt herauf,
als ein leises Raunen wieder;
stoppt der Kinder frommen Lauf.

Da aus dunstigem Gefilde
steigt wie eine Nebelnacht,
ein stilles, schattiges Gebilde;
und die Dämmerung ist erwacht.

Kinderblicke werden helle
die Gesichter sind verzückt,
als Niklaus an der Tagesschwelle,
tritt in ihren Sehnsuchtsblick.

Du guter alter Nikolaus,
Du Freund der Kinder nah und fern,
leer Deinen Sack heut´ bei uns aus,
wir alle haben Dich so gern.


Verfasser Unbekannt


Dienstag, 3. Dezember 2019

Die Möwe Jonathan

* Filmmusik von Neil Diamond *

Die Geschichte schildert in drei Teilen das Leben der Möwe Jonathan,  die sich durch ihre individuelle Lebensweise von ihren Artgenossen abhebt. Die Möwe strebt Perfektion im Fliegen an, und wird daher von den anderen Möwen ausgegrenzt. Diese setzen ihre beschränkten und mittelmäßigen fliegerischen Fähigkeiten nur zur Futtersuche ein, als Mittel zum Zweck. 

Jonathan dagegen will seine Flugkunst vervollkommnen. Er übt sich im Sturzflug, um Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, in Loopings und ähnlichen flugakrobatischen Kunststücken. Er will über den Durchschnitt hinaus und das Außerordentliche erfahren. Das Lernen und Streben nach Neuem und Unbekanntem, wovon die Freiheit des Fliegens nur ein Beispiel ist, es ist für Jonathan der Sinn seines Daseins, wozu er aber den Keim in jeder Möwe angelegt erkennt. Weil er damit gegen die Würde und die Traditionen  der Möwensippe verstößt, wird er vom Ältestenrat des Möwenschwarms verbannt. 

Trotz der Ausgrenzung gibt er nicht auf, sondern hält leidenschaftlich an seinen Zielen fest, vor allem an der Vermittlung der Erkenntnis, dass das Fliegen an sich wie das Leben, der Zweck des Daseins ist, nicht das Fressen. 

Nachdem die Möwe Jonathan gestorben ist und als Lichtwesen der großen, lichtdurchfluteten Möwe gegenübersteht, beschließt sie, zur Erde zurückzukehren, um ihre Erfahrungen mit den Glücksgefühlen des Fliegens als Lebenszweck anderen, jungen Möwen weiterzugeben. 

Insofern gilt die Parabel auch als Symbol  für Menschen, die anderen auf der Suche nach spirituellen Einsichten selbstlos helfen, obwohl ihnen bewusst ist, dass der Schwarm sie eigentlich nicht will.



Eine sehr lehrreiche Lebensphilosophie, auch auf uns Menschen bezogen. 
Einzig und alleine wichtig ist, was man für sich selbst als richtig erkannt hat. 
Egal was andere denken, nur du weißt, was gut für dich ist.




Buchautor Richard Bach aus dem Jahr 1970




Montag, 2. Dezember 2019

Die heiligen Drei Könige


Die heiligen Drei Könige aus dem Morgenland,
sie frugen in jedem Städtchen:
“Wo geht der Weg nach Bethlehem,
ihr lieben Buben und Mädchen?”

Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,
die Könige zogen weiter,
sie folgten einem goldenen Stern,
der leuchtete lieblich und heiter.

Der Stern bleibt stehn über Josefs Haus,
da sind sie hineingegangen;
das Öchslein brüllt, das Kindlein schrie,
die heiligen Drei Könige sangen.

Heinrich Heine 



Noch ist der Herbst nicht ganz entflohn



Noch ist Herbst nicht ganz entflohn
aber als Knecht Ruprecht schon
kommt der Winter hergeschritten.
Und alsbald aus Schnees Mitten
klingt des Schlittenglöckleins Ton.

Und was jüngst noch fern und nah
bunt auf uns herniedersah.
Weiß sind Türme Dächer Zweige 
und das Jahr geht auf die Neige 
und das schönste Fest ist da.

Tag du der Geburt des Herrn
heute bist du uns noch fern. 
Aber Tannen Engel Fahnen 
lassen uns den Tag schon ahnen 
und wir sehen schon den Stern.



Theodor Fontane 
(1819-1898)



Sonntag, 1. Dezember 2019

Das Einhorn



Das Einhorn

Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
fiel wie ein Helm zurück von seinem Haupte:
denn lautlos nahte sich das niegeglaubte,
das weiße Tier, das wie eine geraubte
‚hülflose Hindin‘ mit den Augen fleht.

Der Beine elfenbeinernes Gestell
bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell,
und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,
stand wie ein Turm im Mond, das Horn so hell,
und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.

Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
war leicht gerafft, so daß ein wenig Weiß
weißer als alles von den Zähnen glänzte;
die Nüstern nahmen auf und lechzten leis.
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
warfen sich Bilder in den Raum
und schlossen einen blauen Sagenkreis.


Rainer Maria Rilke

Immer ein Lichtlein mehr



Immer ein Lichtlein mehr
im Kranz den wir gewunden,
dass er leuchte uns so sehr
durch die dunklen Stunden.

Zwei und drei und dann vier!
Rund um den Kranz welch ein Schimmer,
und so leuchten auch wir,
und so leuchtet das Zimmer.

Und so leuchtet die Welt
langsam der Weihnacht entgegen.
Und der in Händen sie hält,
weiß um den Segen!

Matthias Claudius


Einen schönen vierten Advent



Samstag, 30. November 2019

Jungfrau mit Einhorn


Die älteste Darstellung eines Einhorns in der christlichen Kunst findet sich vermutlich in einem Antiphonale aus dem 12. Jahrhundert im Kloster Einsiedeln.
Die Miniatur zeigt eine Verkündigungsszene mit Maria, die in ihrem Schoß das Einhorn beschützt.

Wie hier wird in der Kunst das Einhorn oft im Zusammenhang mit Jungfräulichkeit dargestellt. Dieses allegorische Motiv geht auf Physiologus im 2. Jahrhundert n. Chr. zurück, wonach ein Jäger das wilde Einhorn nur fangen könne, wenn es seinen Kopf in den Schoß einer Jungfrau legt. Im Mittelalter war das Einhorn deshalb auch das Zeichen für die Jungfrau Maria.


Barbara Longhi
Jungfrau mit Einhorn