Samstag, 21. September 2013

Heinrich Heine


Unvollkommenheit

Nichts ist vollkommen hier auf dieser Welt
Der Rose ist der Stachel beigesellt
Ich glaube gar die lieben holden Engel
Im Himmel droben sind nicht ohne Mängel

Der Tulpe fehlt der Duft.
Es heißt am Rhein -
Auch Ehrlich stahl einmal ein Ferkelschwein
Hätte Lucretia sich nicht erstochen
Sie wär vielleicht gekommen in die Wochen

Hässliche Füße hat der stolze Pfau            
Uns kann die amüsant geistreichste Frau
manchmal langweilen wie Henriade
Voltaires sogar wie Klopstocks Messiade.

Die bravste klügste Kuh kein spanisch weiß
Wie Maßmann kein Latein der Marmorsteiß
der Venus von Canova ist zu glatte
Wie Maßmanns Nase viel zu ärschig platte

Im süßen Lied ist oft ein saurer Reim
wie Bienenstachel steckt im Honigseim
Am Fuß verwundbar war der Sohn der Thetis
und Alexander Dumas ist ein Metis

Der strahlenreinste Stern am Himmelszelt
wenn er den Schnupfen kriegt herunterfällt
Der beste Apfelwein schmeckt nach der Tonne
und schwarze Flecken sieht man in der Sonne

Du bist verehrte Frau du selbst sogar
nicht fehlerfrei nicht aller Mängel bar
Du schaust mich an du fragst mich was dir fehle 
Ein Busen und im Busen eine Seele

Heinrich Heine