Sonntag, 30. Dezember 2018

Der Einsame


* Artist Alexander Sigov *

Der Einsame
Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein - Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken:
Und nur wer Schrecken macht, kann andre führen.
Verhasst ist mirs schon, selber mich zu führen!

Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
in holder Irnis grüblerisch zu hocken,
von ferne her mich endlich heim zu locken,
mich selber zu mir selber - zu verführen.

(Friedrich Nietzsche, 1844-1900)



Donnerstag, 22. November 2018

Im Advent


Heute habe ich viel Zeit am Dachboden verbracht
und in den Kisten und Schachteln mit Weihnachtsutensilien gestöbert.
Viele Erinnerungen wurden mir wieder im Gedächtnis wach.
Schöne und traurige Momente zogen in meinen Gedanken vorüber.
Dabei wurde mir wieder einmal klar, wie vergänglich doch alles ist.
Die Erinnerungen an die Kindheit, zu den Tagen in der Weihnachtszeit,
sind mir besonders liebevoll im Herzen geblieben.

Die Räume weihnachtlich schmücken und Plätzchen backen,
sind ein Muss für mich in diesen Tagen.

Copyright; Ursula Magdalena



Ich wünsche allen Freunden
eine schöne Adventszeit!




Freitag, 2. November 2018

Am Allerseelentag

 
Am Allerseelentag

Ich stand gelehnt am Leichenstein
Von hundert Kerzen lichter Schein
Auf all den stummen Gräbern lag.
Ich dachte, wie viel Glück und Schmerz
Hier tief begraben liegt,
Wie manches sturmbewegte Herz
Auf ewig ward zur Ruh gewiegt.

Da gingst du still vorbei an mir,
Ich sah dir ins Gesicht,
Und eine Träne blitzte dir
Im Aug', bestrahlt vom Kerzenlicht.

Im tiefsten Herzen hat sich da
Ein Grab mir aufgetan,
Und die gestorb'ne Jugend sah
Aus deinem Aug' mich lebend an.


Ludwig Bauer


 

Donnerstag, 1. November 2018

Die Schleiereule



Die Schleiereule

Auf ihren weizenfarb'nen Flügeln

Mit ihrer ernsten weißen Stirn

Huscht wie ein Geist sie

Durchs Giebelloch in die Scheune

aus Evening von John Clare 1793 -1864




Komm, traurige Eule, Bote des Leids

Vogel der Melancholie, Gefährte der Verzweiflung

Bester Freund der Sorge und Feind der Heiterkeit

Dein Beitrag nährt den Kummer

O komm, arme Eule, und klag mir Dein Leid

Hab ich's vernommen, so klag ich Dir meins

Robert Jones, 1607



Mag ein Engel deine Feder führen


* Corinne Valliere Skulptur *

O mag ein Engel Dir die Schrift diktieren,
daß jedes Wort mir Wonne sei und Lust,
ein Engel Deine Feder führen,
ein Zauber drinnen leben unbewußt!

Damit, wenn ich das Siegel löse,
das Glück sich ungetrübt daraus ergießt,
und keine Wolke, keine böse,
mein Geist von Deinem Geiste liest.

Friederike Kempner (1836 - 1901)




Master of the Legend of the Magdalen






Master of the Legend of the Magdalen (1483 -1527).
The Magdalen Weeping, c 1525.


Die Heilige Maria Magdalena, 
manchmal einfach die Magdalena, war eine jüdische Frau, 
die nach den vier kanonischen Evangelien, mit 
Jesus reiste als einen seiner Anhänger und war Zeuge 
seiner Kreuzigung,  Begräbnis und Auferstehung . 

Sie wird in den kanonischen Evangelien zwölfmal 
namentlich erwähnt, mehr als die meisten Apostel . 

Marias Beiname Magdalene bedeutet wahrscheinlich, 
dass sie aus der Stadt Magdala kam , 
einer Fischerstadt am Westufer des Sees Genezareth .

Magdalena





Jeder Gedanke ist Saat





Jeder Gedanke ist Saat

Einst über kurz oder lang
führt durch dies Feld dich dein Gang

Jeder Gedanke ist Tat


einst über lang oder kurz
wird er dein Sieg oder Sturz

Wie dir das Schicksal auch naht

nenn es nicht fremde Gewalt

Du bist's in eigner Gestalt

Ephides






Mittwoch, 31. Oktober 2018

Ich war im Garten...





Ich war im Garten, wo sie all die Tiere
gefangen halten, glücklich schienen viele, 
in heitern Zwingern treibend muntre Spiele,
doch andre hatten Augen, tote, stiere, 
besah mich unbewegt mit stillen Blicken.

Er schien so klug sich in sein Los zu schicken,
doch konnte ich in seinem Innern lesen.
Und andre rastlos hinter starren Gittern 
und wunder Liebe fühlt ich mich erzittern,
und meine Seele wurde eins mit ihnen. 
Ein Silberfuchs,ein wunderzierlich Wesen, 
Und andre sah ich mit verwandten Mienen.


Christian Morgenstern


Tiere gehören in die Freiheit,
und nicht in den Zoo...





Dienstag, 30. Oktober 2018

Baron Münchhausen


Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen


Am 11. Mai 1720 wird der berühmte Freiherr Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen in Bodenwerder geboren. Als 4-jährigen verliert er seinen Vater. Mehr ist uns aus dieser Zeit nicht überliefert. 1732 tritt Hieronymus v. Münchhausen, einem Brauch in Adelskreisen folgend, in den Hofdienst. Er wird Page beim Prinzen Anton Ulrich v. Braunschweig. 1733 reist Anton Ulrich nach Russland, um die Nichte der russischen Zarin zu heiraten. 1738 folgt Hieronymus seinem Patron und tritt in das russische Braunschweig-Regiment ein, das Prinz Anton Ulrich kommandiert. Damit beginnen die Reisen und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen.


Für seine Tapferkeit im russisch-türkischen Krieg ernennt Anton Ulrich 1739 Hieronymus v. Münchhausen zum Kornett und beschenkt ihn mit drei schönen Pferden, dazu Schabracken und Pistolen. Ein knappes Jahr später - 1740 - wird Hieronymus zum Leutnant befördert. Seine Karriere verspricht unter seinem Patron glänzend zu verlaufen, denn im gleichem Jahr wird der Sohn Anton Ulrichs v. Braunschweig zum Zar Iwan VI. ernannt. Aber alles endet nach einem gewaltsamen Thronwechsel, als Elisabeth I., Tochter des Zaren Peter des Großen, 1741 den einjährigen Iwan und seine Eltern gefangen nimmt und sie ins Exil schickt. Münchhausens Leben wird seitdem von Anton Ulrichs tragischem Schicksal überschattet. Zwar übersteht er den Umsturz heil - vermutlich, weil er zu dieser Zeit in Finnland kämpft, aber aus seiner so glänzend begonnene Karriere wird nichts, eine weitere Beförderung lässt elf Jahre auf sich warten.

Die Garnisonstadt Riga wird jetzt sein hauptsächlicher Aufenthaltsort - und dort fühlt er sich anscheinend sehr wohl. Diese Rigaer Jahre beeinflussen nachhaltig seine Fähigkeit als Erzähler, denn in Freundeskreisen des damaligen Litauen, das erst vor kurzem seine bedeutende Rolle in der europäischen Geschichte verloren hat, wird gerne erzählt. An diesen gemütlichen Abendtreffen nimmt Hieronymus v. Münchhausen oft teil, bestimmt nicht nur als Zuhörer. (Unter Balten kursieren auch noch in unserer Zeit Anekdoten, die man ihm zuschreibt.) Aber Riga gibt Hieronymus nicht nur die Liebe zum Fabulieren: Aus dem livländischen Adel holt er sich seine Lebensgefährtin, Jacobine von Dunten. Am 2. Februar 1744 schließt er die Ehe, die 46 glückliche Jahre währen sollte. 

1750 wird Hieronymus zum kaiserlich russischen Rittmeister vorgeschlagen. Er muss aber langsam erkennen, dass Aufstieg und Karriere für ihn zu Ende sind, also nimmt er den Abschied und fährt mit seiner Frau heim nach Bodenwerder. Die Abenteuerjahre sind vorbei! Aber sie haben den Herrn des bescheidenen Landgutes zu einem Weltmann werden lassen. Ohne die Erlebnisse in der Fremde wäre er vielleicht nie der große Fabulierer geworden.

Von nun an führt Hieronymus v. Münchhausen das Leben eines Landedelmannes, der sein Gut bestellt, geselligen Verkehr mit seinen Gutsnachbarn pflegt, und dessen liebster Zeitvertrieb die Jagd ist. Im Freundeskreis beginnt sein Erzählertalent berühmt zu werden. Gäste kommen nach Bodenwerder - auch von weit her -, um fabelhafte Geschichten zu hören. Zuweilen sind der Göttinger Dichter Gottfried August Bürger, der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg und der Museumsdirektor Rudolf Erich Raspe, alle drei auch große Erzähler, bei ihm zu Besuch.

1790 stirbt Jacobine v. Münchhausen. Hieronymus bleibt allein. Um der Einsamkeit zu entfliehen, heiratet er 1794 als 74-jähriger die 18-jährige Bernhardine v. Brünn. Die Ehe wird unglücklich, schon nach einigen Monaten beginnt Münchhausen einen 3-jährigen Scheidungsprozess, der ihn sein ganzes Vermögen kostet. 

Verbittert und einsam stirbt der große Fabulierer, Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, am 22. Februar 1797.



Freitag, 26. Oktober 2018

Der Uhu, der Kauz und zwo Eulen





Der Uhu, der Kauz und zwo Eulen
Beklagten erbärmlich ihr Leid
Wir singen; doch heißt es, wir heulen
So grausam belügt uns der Neid

Wir hören der Nachtigall Proben
Und weichen an Stimme nicht ihr
Wir selber, wir müssen uns loben
Es lobt uns ja keiner, als wir

(Friedrich von Hagedorn,


1708-1754)






Die zwei Wurzeln




Die zwei Wurzeln

Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.

Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.

Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.

Die eine sagt knig, die andere sagt knag.
Das ist genug für einen Tag.

Christian Morgenstern




Hänschen Eichhorn heiß' ich,
Was ich gelernt hab', weiß ich.




Donnerstag, 18. Oktober 2018

Ich bin der Welt abhanden gekommen...



Ich bin der Welt abhanden gekommen, 
Mit der ich sonst viele Zeit verdorben.

Sie hat so lange nichts von mir vernommen,
Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben!

Es ist mir auch gar nichts daran gelegen,
Ob sie mich für gestorben hält,

Ich kann auch gar nichts sagen dagegen,
Denn wirklich bin ich gestorben der Welt.

Ich bin gestorben dem Weltgetümmel,
Und ruh' in einem stillen Gebiet!

Ich leb' allein in meinem Himmel,
In meinem Lieben, in meinem Lied!






Donnerstag, 4. Oktober 2018

Novalis



Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die tief Gelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben,
Und in die Welt wird zurück begeben,

Wenn sich dann wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ew´gen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

Novalis
Friedrich von Hardenberg



Foto; Rose Novalis 
Copyright;  Ursula Magdalena  



Mit vierzig Jahren



Mit vierzig Jahren ist der Berg erstiegen
Wir stehen still und schaun zurück

Dort sehen wir der Kindheit stilles liegen

Und dort der Jugend lautes Glück

Noch einmal schau, und dann gekräftigt weiter
Erhebe deinen Wanderstab

Hindehnt ein Bergesrücken sich, ein breiter
Und hier nicht, drüben geht's hinab

Nicht atmend aufwärts brauchst du mehr zu steigen
Die Ebene zieht von selbst dich fort

Dann wird sie sich mit dir unmerklich neigen
Und eh' du's denkst, bist du im Port

Friedrich Rückert




Freitag, 14. September 2018

Meine Seele hat es eilig...


Meine Seele hat es eilig...

Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt,
dass ich weniger Zeit habe, zu leben, als ich bisher gelebt habe.

Ich fühle mich wie dieses Kind, das eine Schachtel
Bonbons gewonnen hat.
Die ersten ißt es mit Vergnügen, aber als es merkt,
dass nur noch wenige übrig waren, begann es, 
sie wirklich zu genießen.

Ich habe keine Zeit für endlose Konferenzen, bei denen 
die Statuten, Regeln, Verfahren und internen Vorschriften 
besprochen werden, in dem Wissen, dass nichts erreicht wird.

Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen, 
die ungeachtet ihres Alters nicht gewachsen sind.
Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
Ich will nicht in Besprechungen sein, 
in denen aufgeblasene Egos aufmarschieren.

Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören die Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen,
um sich deren Positionen,Talente und Erfolge zu bemächtigen.

Meine Zeit ist zu kurz um Überschriften zu diskutieren.
Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile.
Ohne viele Süssigkeiten in der Packung.
Ich möchte mit Menschen leben, die sehr menschlich sind.

Menschen, die über ihre Fehler lachen können,
die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden.
Die  sich nicht vorzeitig berufen fühlen und die nicht
vor ihrer Verantwortung fliehen.

Die, die menschliche Würde verteidigen und die nur an der Seite 
der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.

Das ist es, was das Leben lebenswert macht.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben,die es verstehen,
die Herzen anderer zu berühren.
Menschen, die durch die harten Schläge des Lebens lernten,
durch sanfte Berührungen der Seele zu wachsen.

Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig mit der Intensität zu leben, 
die nur die Reife geben kann.
Ich versuche keine der Süßigkeiten, die mir noch bleiben,
zu verschwenden. 
Ich bin mir sicher, dass sie köstlicher sein werden, als die,
die ich bereits  gegessen habe.

Mein Ziel ist es das Ende zufrieden zu erreichen,in Frieden mit mir, 
meinen  Lieben und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt,wenn du erkennst,
dass du nur eins hast.


Gedicht von Mario de Andrade
(San Paolo 1893-1945) Dichter, Schriftsteller,
Essayist und  Musikwissenschaftler.
Einer der Gründer der brasilianischen Moderne.


Montag, 3. September 2018

Herbst




Herbst

Ich pflücke mir am Weg das letzte Tausendschön. 
Es kam ein Engel mir mein Totenkleid zu nähen. 
Denn ich muß andere Welten weiter tragen.

Das ewige Leben dem, der viel von Liebe weiß zu sagen. 
Ein Mensch der Liebe kann nur auferstehen. 
Haß schachtelt ein! Wie hoch die Fackel auch mag schlagen.

Ich will dir viel viel Liebe sagen.
Wenn auch schon kühle Winde wehen. 
In Wirbeln sich um Bäume drehen.
Um Herzen, die in ihren Wiegen lagen.

Mir ist auf Erden weh geschehen.
Der Mond gibt Antwort dir auf deine Fragen. 
Er sah verhängt mich auch an Tagen.
Die zaghaft ich beging auf Zehen.


Else Lasker - Schüler
(1869 - 1945)

Solange du nach dem Glück jagst...




Solange du nach dem Glücke jagst 
Bist du nicht reif zum Glücklichsein 
Und wäre alles Liebste dein

Solange du um verlorenes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist
Weißt du noch nicht was Friede ist

Erst wenn du jedem Wunsche entsagst
Nicht Ziel mehr nach Begehren kennst
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst

Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz und deine Seele ruht

Hermann Hesse



Pferd am Kirchendach


Erzählung von Baron Münchhausen

Ich trat meine Reise nach Russland von Haus ab mitten im Winter an, weil ich ganz richtig schloss, dass Frost und Schnee die Wege durch die nördlichen Gegenden von Deutschland, Polen, Kur- und Livland, welche nach der Beschreibung aller Reisenden fast noch elender sind als die Wege zu den Tempeln der Tugend, endlich, ohne besondere Kosten hochpreislicher, wohl fürsorgender Landesregierungen aus bessern müssten. Ich reiste zu Pferde, welches, wenn es sonst nur gut um Gaul und Reiter steht, die bequemste Art zu reisen ist. Denn man riskiert alsdann weder, mit irgendeinem höflichen deutschen Postmeister eine Affaire d'honneur zu bekommen, noch von seinem durstigen Postillion vor jede Schenke geschleppt zu werden. Ich war nur leicht bekleidet, welches ich ziemlich übel empfand, je weiter ich nach Nordosten hin kam. Des Reitens müde stieg ich ab und band mein Pferd an eine Art von spitzem Baumstaken, der über dem Schnee hervorragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistolen unter den Arm, legte mich nicht weit davon in den Schnee nieder und tat so ein gesundes Schläfchen, dass mir die Augen nicht eher wieder aufgingen, als bis es heller, lichter Tag war. Wie gross war aber mein Erstaunen, als ich fand, dass ich mitten in einem Dorf auf dem Friedhof lag! Mein Pferd war anfänglich nirgends zu sehen; jedoch hörte ich's bald darauf irgendwo über mir wiehern. Als ich nun emporsah, so wurde ich gewahr, dass es an den Wetterhahn des Kirchturms gebunden war und von da herunterhing. Nun wusste ich sogleich, wie ich dran war. Das Dorf war nämlich die Nacht über ganz zugeschneit gewesen; das Wetter hatte sich auf einmal umgesetzt; ich war im Schlaf nach und nach, so wie der Schnee zusammengeschmolzen war, ganz sanft herabgesunken; und was ich in der Dunkelheit für ein Bäumchen, das über den Schnee herausragte, gehalten und daran mein Pferd gebunden hatte, das war das Kreuz oder der Wetterhahn des Kirchturms gewesen. Ohne mich lange zu bedenken, nahm ich eine von meinen Pistolen, schoss nach dem Halfter, kam glücklich auf die Art wieder an mein Pferd und verfolgte meine Reise.



Baron Münchhausen war ein ganz besonderer Mensch. 
Er liebte es nämlich Geschichten zu erzählen und 
hielt es dabei nicht immer so ganz mit der Wahrheit.



Sonntag, 22. Juli 2018

Im Nebel

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern
Einsam ist jeder Busch und Stein
Kein Baum sieht den andern
Jeder ist allein
Voll von Freunden war mir die Welt
Als noch mein Leben licht war
Nun da der Nebel fällt
Ist keiner mehr sichtbar
Wahrlich keiner ist weise
Der nicht das Dunkel kennt
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt
Seltsam Im Nebel zu wandern
Leben ist einsam sein
Kein Mensch kennt den andern
Jeder ist allein
 

Hermann Hesse



Freitag, 30. März 2018

Karfreitag und sein Brauchtum



Roger van der Wyden 1445


Heute hängt am Holz, der die Erde in die Wasser gehängt hat. Mit einem Kranz aus Dornen wird umwunden der König der Engel. Lügenhaft wird mit Purpur verhüllt, der den Himmel mit Wolken verhüllt. Schläge hat empfangen, der im Jordan den Adam befreite. Mit Nägeln wurde befestigt der Bräutigam der Kirche. Mit einer Lanze wurde durchbohrt der Sohn der Jungfrau. Wir verehren deine Leiden, Christus.
Zeige uns auch deine herrliche Auferstehung.





In katholischen Kirchen schweigen nach alter Tradition die Orgel und die Kirchenglocken nach dem Gloria der Messe vom letzten Abendmahl am Gründonnerstag. An die Stelle der Glocken und Schellen treten vielerorts Ratschen und Klappern, mit denen in vielen katholischen Landstrichen die Kirchgänger nach alter Tradition auch zu den Gottesdiensten, zum Stundengebet und zum Angelus gerufen werden.





Gesegnete Ostern



Freitag, 16. März 2018

Es kommt nicht darauf an...



Wer alt geworden ist und darauf achtet,
der kann beobachten, wie trotz dem Schwinden der Kräfte
und Potenzen ein Leben noch spät und bis zuletzt
mit jedem Jahr das unendliche Netz seiner Beziehungen
und Verflechtungen vergrößert und vervielfältigt und wie,
solange ein Gedächtnis wach ist, doch von all dem 
Vergänglichen und Vergangenen nichts verloren geht.



Es kommt für uns ältere nicht darauf an, die neue 
Jugend zu widerlegen und irgendwie abzutun,
sondern sie zu verstehen und sie so weit wir 
irgendwie können , erkennend lieben zu lernen.

Hermann Hesse




Dienstag, 6. März 2018

Vom lesen der Bücher



Bücher sind nicht dazu da, unselbständige Menschen
noch unselbständiger zu machen, und sind 
noch weniger dazu da, lebensunfähigen Menschen ein 
wohlfeiles Trug und Ersatzleben zu liefern. 

Im Gegenteil, Bücher haben nur einen Wert, 
wenn sie zum Leben führen und dem Lebenden dienen 
und nützen, und jede Lesestunde ist vergeudet, aus der 
nicht ein Funke von Kraft, eine Ahnung von Verjüngung, 
ein Hauch von neuer Frische sich für den Leser ergibt. 

Von den vielen Welten, die der Mensch nicht von der 
Natur geschenkt bekam, sondern sich aus eigenem Geiste 
erschaffen hat, ist die Welt der Bücher die Größte.

Das Amt des Dichters ist nicht das Zeigen der Wege, 
sondern vor allem das Wecken der Sehnsucht.



Hermann Hesse